Arbeitsbedingter Stress: Kognitive Folgen halten oft lange an

Arbeit fordert uns. Können wir die Anforderungen nicht bewältigen (oder haben wir das Gefühl, wir können es nicht), entsteht Stress. Der kann sich nachhaltig (auch) auf unser Denkvermögen auswirken.

Haben wir das Gefühl, die mit der Arbeit verbundenen Anforderungen übersteigen unsere Bewältigungsmöglichkeiten, hat das Einfluss auf unser Wohlbefinden – seelisch wie körperlich. Hält der Stress an, kann es zu ernsthaften klinischen Symptomen kommen. Beschäftigte , die sich wegen arbeitsbedingtem Stress vorstellen, leiden vor allem unter depressiven Verstimmungen, Ängstlichkeit, Erschöpfung, Schlafproblemen sowie kognitiven Beschwerden wie Vergesslichkeit und Konzentrationsproblemen. Viele sind in ihrer täglichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt, auch wenn sie nach einer Krankschreibung an den Arbeitsplatz zurückkehren.

Eine dänische Arbeitsgruppe aus Arbeitsmedizin und Psychologie hat in einer prospektiven Kohortenstudie untersucht, wie sich die kognitiven Einschränkungen im Verlauf entwickeln. Sie befragte die Betroffenen zu ihrem Befinden zum Zeitpunkt der Erstvorstellung sowie ein Jahr und vier Jahre später und untersuchte sie mit verschiedenen psychologischen Tests. Die Ergebnisse wurden mit denen gematchter Kontrollpersonen verglichen.

Die Betroffenen zeigten zu Beginn vor allem Probleme bei exekutiven Funktionen und Denkgeschwindigkeit. Exekutive Funktionen brauchen wir, um unser Handeln einer Situation anzupassen, also etwa Ziele zu setzen, unsere Aufmerksamkeit zu steuern und Fehler zu korrigieren – anspruchsvolle Hirnleistungen, die durch Stress beeinträchtigt sein können. Die Getesteten schnitten dabei von Mal zu Mal besser ab. Der größte Fortschritt war allerdings im ersten Jahr zu verzeichnen; die Betroffenen bemerkten ihn vor allem in den ersten Monaten. Nach vier Jahren brachten sie es in allen Bereichen auf Werte knapp unter den Leistungen der Kontrollpersonen, nur die Scores für das Kurzzeitgedächtnis unterschieden sich noch signifikant.

Die Zahl der Betroffenen, die wieder ins Arbeitsleben eingestiegen waren, stieg im Untersuchungszeitraum kontinuierlich. 63 Prozent gaben allerdings nach vier Jahren noch an, sie fühlten sich nur leicht oder teilweise erholt. Etwa ein Viertel arbeitete weniger als 75 Prozent.

Nach vier Jahren nur teilweise erholt, immer noch leichte Einschränkungen in den kognitiven Leistungen – das Ergebnis der dänischen Studie macht deutlich, wie hartnäckig die Folgen arbeitsbedingten Stresses sein können. Ein guter Grund mehr, der Prävention Aufmerksamkeit zu schenken und jene, die sich dauerhaft überfordert fühlen, besonders im Blick zu behalten.

Quellen

Dalgaard VL, Andersen JH, Pedersen AD et al.: Cognitive impairments and recovery in patients with work-related stress complaints – four years later. Stress 2021; 24: 294–302



NP-DE-MLV-BRFS-220006, Jun. 2022