Luftschadstoffe provozieren Entzündung? Nicht unbedingt!

Niederländische Wissenschaftler*innen staunten nicht schlecht: In ihrer großen Studie hatten beruflich Exponierte niedrigere Entzündungswerte als Nicht-Exponierte.

15 bis 20% des bevölkerungsbezogenen Risikos für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) gehen auf berufliche Expositionen gegenüber Luftschadstoffen zurück. Kann man das Risiko der Exponierten an Entzündungsmarkern in ihrem Blut ablesen?, wollte ein interdisziplinäres Team der niederländischen Universität Groningen wissen – und wertete Daten der LifeLines Cohort Study aus; einer großen prospektiven Mehrgenerationen-Studie im Norden der Niederlande.

Knapp 80.000 Teilnehmer*innen gingen in die aktuelle Studie ein, davon gut 48.000 in das mehrjährige (Median 4,5 Jahre) Follow-up. Zur beruflichen Exposition lagen mittels Job-ExposureMatrix (JEM) erhobene Daten vor; diese setzte das Team in Bezug mit Werten für CRP, neutrophile und eosinophile Granulozyten.

Das Ergebnis überraschte das Forschungsteam: Personen, die beruflich gegenüber Allergenen, reaktiven Chemikalien und Mikroorganismen exponiert waren, hatten niedrigere CRP-Spiegel und geringere Neutrophilen-Zahlen im Blut als nicht-exponierte. Die Zahl der Eosinophilen war bei Exponierten und Nicht-Exponierten ähnlich. Im Verlauf wirkte sich die Exposition nicht weiter auf die Entzündungsmarker aus.

Die große Teilnehmer*innen-Zahl und die Expositionserhebung mittels Job-Exposure-Matrix sprechen für ein aussagekräftiges Ergebnis. Aber warum schlug sich die Exposition gegenüber Luftschadstoffen nicht in erhöhten Entzündungsmarkern nieder – sondern sogar in niedrigeren als in der Gesamtbevölkerung? Das Groninger Team könnte sich drei Gründe vorstellen:

  • Immuntoleranz: Die langjährige Exposition hat zu einem Zustand der Nicht-Reaktivität gegenüber Substanzen geführt, die normalerweise eine Reaktion hervorrufen würden. Studien haben das Phänomen u.a. bei Landwirtinnen und Landwirten beschrieben. 
  • Körperliche Aktivität: Berufe mit hoher Exposition gegenüber Luftschadstoffen sind in der Regel mit viel Bewegung verbunden – und die stärkt das Immunsystem und reduziert Entzündungsvorgänge. 
  • Healthy-Worker-Effekt: Menschen, die schon eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Allergenen oder anderen Chemikalien haben, meiden entsprechende Arbeitsplätze oder wechseln bei Problemen in eine Tätigkeit mit geringerer Exposition. 

Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner sollten um diese Zusammenhänge (und ihre möglichen Erklärungen) wissen, um Entzündungswerte bei entsprechenden Beschäftigten besser einschätzen zu können. 

Quellen

Faruque MO, Vonk JM, Bültmann U, Boezen HM: Airborne occupational exposures and inflammatory biomarkers in the Lifelines cohort study. Occup Environ Med 2021; 78: 82–85

NP-DE-MLV-BRFS-220001, Jan. 2022