Melanom-Risiko: Sozioökonomischer Status ist entscheidender als Outdoor-Tätigkeit

Haben Beschäftigte auf dem Bau ein höheres Melanom-Risiko als Lehrende an Hochschulen? Theoretisch vielleicht – in der Praxis sieht es anders aus.

Skandinavische Forscherinnen und Forscher können dank lange bestehender Krankheits- und anderer Register auf traumhafte Datenbasen zurückgreifen. Auch für diese Studie zum Melanom-Risiko verschiedener Berufsgruppen haben sie aus dem Vollen geschöpft und eine historische Kohortenstudie mit Krebs- und Berufsdaten zu fast 15 Millionen Menschen in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden sowie einem Untersuchungszeitraum von 45 Jahren erstellt.

Das macht 385 Millionen Personenjahre, in denen knapp 84.000 kutane Melanome diagnostiziert wurden. Die Inzidenz hat sich in den nordischen Ländern in den vergangenen 60 Jahren mehr als vervierfacht. Das liegt allerdings weniger an der Sonnenexposition im Job, wie die Studie zeigt: Höhere Inzidenzen fanden sich nicht etwa bei Outdoor-Beschäftigten, sondern – im Gegenteil – bei jenen, die hauptsächlich in Innenräumen arbeiten. Ganz oben auf der Liste: Zahnärztinnen und Zahnärzte (1,69-fache bzw. 1,65-fache Inzidenz im Vergleich zum Durchschnitt), gefolgt von Ärztinnen/Ärzten und Lehrerinnen/Lehrern.

Bei Menschen mit einem hohen sozioökonomischen Status wurde 1,34-mal (Männer) bzw. 1,31-mal (Frauen) so wahrscheinlich ein Melanom festgestellt wie im Durchschnitt der Bevölkerung. Die Autorinnen und Autoren der Studie vermuten zwei Gründe: Urlaube in sonnenintensiven Gegenden und häufigere ärztliche Konsultationen, um Leberflecke und andere Hautveränderungen beurteilen zu lassen. Beides nutzen gebildete, gutverdienende Menschen deutlich häufiger als weniger gut gestellte.

Wer beispielsweise in Dänemark lebt und in Innenräumen arbeitet, erhält dort in einem Jahr etwa 134 Standard-Erythemdosen (SEDs) UV-Strahlung, bei einem einwöchigen Urlaub auf den Kanaren aber allein schon 57 SEDs – solche Werte haben Studien mit UV-Dosimetern gemessen. Die Sonnenexposition bei Jobs im Freien hält sich in Nordeuropa hingegen in Grenzen.

Etwas anders sieht es in bestimmten (wenigen) Berufsgruppen aus: Beschäftigte in Flugzeugen arbeiten in 9000 Metern Höhe in einer doppelt so hohen UV-Strahlung wie auf dem Boden. Militärisches Personal ist nicht nur vermehrt der Sonne ausgesetzt (evtl. auch außerhalb des Heimatlandes), sondern schützt sich auch weniger dagegen als nicht-militärische Bevölkerung. Feuerwehrleute haben zusätzlich zu UV-Strahlen Kontakt zu verschiedenen Karzinogenen. Die können das Krebsrisiko auch für Beschäftigte im Ingenieurswesen, in der Chemieindustrie und ähnlichen Branchen erhöhen.

Die Datenlage zum berufsbedingten Risiko für maligne Melanome ist also nicht so eindeutig wie für Plattenepithelkarzinome der Haut. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass Melanome in nur fünf europäischen Ländern als Berufskrankheit anerkannt sind. Klar ist in jedem Fall: Für alle Menschen ist ein effektiver Sonnenschutz wichtig – während der Arbeit wie in der Freizeit.

Quellen

Alfonso JH, Martinsen JI, Weiderpass E et al.: Occupation and cutaneous melanoma: a 45-year historical cohort study of 14.9 million people in five Nordic countries. Br J Dermatol 2021; 184: 672– 680.



NP-DE-MLV-BRFS-220004, Apr. 2022