COVID-19: erhöhtes Risiko für Zoster

T-Zellen sind die Dirigentinnen des Immunsystems. COVID-19 bringt ihre Arbeit durcheinander – und erhöht wahrscheinlich deshalb die Wahrscheinlichkeit, dass das Varizellazoster-Virus reaktiviert wird.

Wir werden immer älter – eine gute Nachricht. Ältere sind aber anfälliger (unter anderem) für bestimmte Infektionskrankheiten. Und weil der Altersdurchschnitt (auch) der arbeitenden Bevölkerung steigt, sind Infektionen und Infektionsschutz ein wichtiges Thema für die Arbeitsmedizin.

Zwei typische Infektionen mit besonderem Risiko in der zweiten Lebenshälfte sind COVID-19 und Herpes zoster. Ältere infizieren sich zwar nicht unbedingt leichter (beim Zoster liegt die Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus typischerweise viele Jahrzehnte zurück); sie erkranken aber oft schwerer. Bei COVID-19 steigt die Sterblichkeit mit dem Alter steil an, und Gürtelrose ist gleich eine typische Diagnose älterer Menschen. Eine US-Studie hat jetzt herausgefunden, dass die eine Erkrankung das Risiko für die andere erhöht: Wer COVID-19 hat oder hatte, bekommt auch leichter Herpes zoster.

Die retrospektive Kohortenstudie hat Daten von knapp 400.000 Krankenversicherten über 50 Jahre mit COVID-19 und fast 1,6 Millionen Kontrollen ohne COVID-19 verglichen. Erstere hatten ein 15% höheres Risiko, auch eine Gürtelrose zu bekommen. COVID-19-Patient*innen, die stationär behandelt werden mussten, erkrankten im Verlauf sogar 21% wahrscheinlicher an einer Gürtelrose.

In Fallstudien trat mehr als die Hälfte der Zoster-Erkrankungen innerhalb einer Woche nach der COVID-Diagnose auf, einzelne Fälle aber auch erst 8–10 Wochen später. Nach 6 Monaten war das Risiko einer Zoster-Erkrankung nicht mehr erhöht – das spricht für einen direkten Zusammenhang zwischen beiden Diagnosen.

Die Autor*innen der Studie vermuten den Schlüssel in der T-Zell-Immunität: Nach der Erstinfektion mit dem Varizella-Zoster-Virus ist eine ausreichende T-Zell-Immunität notwendig, um die Latenz aufrechtzuerhalten. Sinkt sie, kann das Virus reaktiviert werden. Eine Dysfunktion der T-ZellImmunität, die bei vielen COVID-19-Patient*innen beobachtet wurde, könnte die Entstehung eines Herpes zoster begünstigen.

Umgekehrt kann eine Zoster-Impfung das Risiko einer COVID-19-Erkrankung signifikant senken – in einer Kohortenstudie aus den USA vor Einführung der spezifischen SARS-CoV-2-Impfung erkrankten Zoster-Geimpfte 16% seltener an COVID-19 als Ungeimpfte. Möglicherweise führt der Trainingseffekt der Impfung auf das zelluläre Immunsystem auch zu einer besseren Abwehr der SARS-CoV-2- Infektion.

Arbeitsmediziner*innen sollten in jedem Fall gerade bei älteren Beschäftigten an die Folgen einer reduzierten T-Zell-Immunität denken und zu einem guten Schutz raten – sowohl vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus als auch vor einer Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus.

Quellen

Bhavsar A, Lonnet G, Wang C et al.: Increased risk of herpes zoster in adults ≥50 years old diagnosed with COVID-19 in the United States. Open Forum Infect Dis 2022 Mar 9; 9: ofac118

Bruxvoort KJ, Ackerson B, Bhavsar A et al.: Recombinant adjuvanted zoster vaccine and reduced risk of COVID-19 diagnosis and hospitalization in older adults. J Inf Dis 2021 Oct 3 [online]



NP-DE-MLV-BRFS-220007, Jul. 2022