Arbeitsmedizin im internationalen Vergleich: überraschende Ergebnisse

Wie steht es um die arbeitsmedizinische Versorgung in anderen Ländern? Und wie vergleicht man das überhaupt?

1994 beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine globale Strategie für „Gesundheit am Arbeitsplatz für alle“. Sie befand es als realistisches Langzeitziel, dass alle Beschäftigten weltweit Zugang zu kompetenten arbeitsmedizinischen Diensten haben. Wie sieht die Praxis knapp 30 Jahre später aus?

Ein israelisches Forschungsteam hat die Zahl der Beschäftigten mit der Zahl der Arbeitsmediziner*innen ins Verhältnis gesetzt – eine verhältnismäßig einfach zu erhebende und zu vergleichende Zahl – und das Ergebnis mit ökonomischen Parametern verglichen. Allerdings standen selbst diese Daten nur für 20 Länder zur Verfügung; größtenteils eher wohlhabende Industrieländer.

Für diese fällt auf: Wo die Wirtschaftsleistung hoch ist (konkret: wo das Bruttoinlandsprodukt BIP über 30.000 US-Dollar pro Kopf liegt), ist die Versorgung dichter; hier gibt es im Schnitt ein*e Arbeitsmediziner*in auf ungefähr 5.000 Beschäftigte. Ausnahmen waren die USA, Südkorea und Israel; diese haben trotz hohen BIPs eine recht dünne Versorgung (um 1:50.000). Deutschland liegt mit einer Quote von etwa 1:3.000 in diesem Vergleich ziemlich gut. Am niedrigsten war die Rate für Mexiko (1:216.000), das selbst unter den wirtschaftlich schwächeren Staaten stark abgeschlagen war.

In allen Ländern der Erhebung gehört eine regelmäßige arbeitsmedizinische Gesundheitsuntersuchung der Beschäftigten zum Standardprogramm. Eine Eingangsuntersuchung zum Jobbeginn ist nur in 11 der untersuchten Nationen Routine, und auch andere Punkte unterscheiden sich von Land zu Land. Hier konnte die Studie allerdings keinen Zusammenhang mit dem BIP finden – und auch nicht mit der Zahl der arbeitsmedizinischen Fachkräfte. Letztlich, so die Autor*innen, sagt die Auflistung auch wenig über die Qualität der arbeitsmedizinischen Versorgung aus. Die Qualität sei eh kaum verlässlich zu vergleichen; schwer zu messen und für die meisten Länder stünden gar keine entsprechenden Daten zur Verfügung.

Die Ergebnisse dieses internationalen Vergleichs lassen vermuten: Von „Gesundheit am Arbeitsplatz für alle“ sind wir noch weit entfernt. Das Studienteam sieht für entwickelte Länder mit einem Pro-Kopf-BIP über 30.000 US-Dollar ein Verhältnis von eine*r Arbeitsmediziner*in auf 5000 Beschäftigte als vernünftige und akzeptable Marke. Da gibt es in einigen Ländern noch viel zu tun.

Quellen

Krakov AO, Zack O, Sagiv OY et al.: Disparities in occupational health studies: an international comparative study. J Occup Med Toxicol 2023; 18: 21

 

NP-DE-MLV-BRFS-240001, Dez. 2023