COVID-19-Pandemie: psychisch belastend – nicht nur für Gesundheitspersonal

Wie geht es Lehrerinnen oder Verkäufern während der Pandemie? Sie können sich dem Infektionsrisiko kaum entziehen – das macht sich seelisch bemerkbar.

Nicht nur Beschäftigte im Gesundheitswesen haben Kontakt zu vielen Menschen und damit ein hohes Infektionsrisiko – auch wenn andere Berufsgruppen vielleicht nicht ganz an die Risikostufe von Pflegepersonal oder Intensivmediziner*innen herankommen. Die seelische Belastung der „anderen“ rückte allerdings erst etwas zeitverzögert in den Fokus der Forschung.

40% mit Angstsymptomen, 37% mit Depression – das galt für Gesundheitspersonal im Jahr 2020, während der ersten Hochzeit der COVID-19-Pandemie. Viel wurde berichtet über die psychische Belastung derer, die an vorderster Front Infizierte versorgen und drumherum unter schwierigen Bedingungen das Gesundheitssystem am Laufen halten. Die Zahlen sind in der Tat eindrucksvoll, die Belastung unumstritten. Andere Berufsgruppen sind dabei etwas aus dem Blickfeld geraten. Eine kürzlich erschienene Studie des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) schließt die Lücke.

Zwischen Dezember 2020 und Juli 2021, also während der zweiten Corona-Welle, füllten 1545 Beschäftigte aus öffentlichem Dienst, Finanzsektor, Einzelhandel, öffentlichem Personennahverkehr und Industrie einen Online-Fragebogen (den Patient Health Questionnaire-4) zu ihrem psychischen Wohlbefinden aus. Die Angaben wurden verglichen mit dem Risiko, sich am Arbeitsplatz mit SARSCoV-2 zu infizieren.

16% der Befragten gaben an, im Frühjahr 2020 (also vor Beginn der Pandemie-Auswirkungen) Symptome einer Angststörung oder Depression gehabt zu haben, zum Zeitpunkt der Befragung waren es mit 29% fast doppelt so viele. Menschen, die beruflich einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt waren (zum Beispiel in Schulen oder Sozialarbeit), litten dabei dreimal häufiger unter psychischen Symptomen als solche in wenig exponierten Jobs. Beschäftigte mit einem mäßigen Infektionsrisiko (etwa in Behörden oder am Bankschalter) hatten immerhin ein verdoppeltes Risiko für ernsthafte psychische Symptome.

Weitere Risikofaktoren waren Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben, wie sie vor allem alleinerziehende Mütter angesichts der Schließung von Schulen und Kindergärten bewältigen mussten. Außerdem erhöhten fehlende Unterweisungen zum Infektionsschutz, als unzureichend empfundene Infektionsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz, fehlender Kontakt zu Kolleg*innen sowie Überengagement die Wahrscheinlichkeit für psychische Symptome.

Diesen Faktoren Aufmerksamkeit zu schenken, könne bei der Bewältigung künftiger Krisen hilfreich sein, um die psychische Gesundheit aller Beschäftigten besser zu schützen, folgern die Autor*innen. In einem Punkt lief es im Jahr der Befragung schon ganz gut: Die meisten Teilnehmenden gaben an, vom Arbeitgeber über die Infektionsschutzmaßnahmen aufgeklärt worden zu sein, und über 70% fühlten sich durch die Maßnahmen geschützt.

Quellen

Casjens S, Taeger D, Brüning T, Behrens T: Altered mental distress among employees from different occupational groups and industries during the COVID-19 pandemic in Germany. J Occup Environ Med 2022; 64: 874–880

 

NP-DE-MLV-BRFS-220011, Nov. 2022